Die Fuckup Night im Roxy

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Albert Schmidt

Okt 1, 2020

Kennst du schon...

90% aller Startups scheitern. Mit dem eigenen Startup zu crashen ist also so bitter wie vorhersehbar und ein Ereignis, dass jeder erstmal verdauen muss. Nicht wenige verbinden damit sogar eine gewisse Scham.
Bei der Fuckup Night ist es genau umgekehrt: hier stehen die eigenen Niederschläge im Mittelpunkt und werden fast schon gefeiert. Rocket Ulm war für euch am Start…und hat sich diesmal kein Fuckup geleistet!
An der Stelle geht ein Dank an Heino Trusheim, der das Event mit Witz moderiert und für den ein oder anderen Lacher gesorgt hat. Außerdem an Sebastian Huber von der Stadt Ulm, der die Veranstaltung organisiert und möglich gemacht hat.

Irmeli Gnilka

Die bunt gekleidete Finnin macht mit ihrer Story den Anfang. Mit ihrem ersten Startup hat sie Kleidung über Homeparties verkauft, wie man es von Tupperware kennt. Das Konzept kam gut an und erste Umsätze ließen nicht lange auf sich warten. Nach dem ersten Jahr hatte sie 3 Verkäuferinnen und im dritten Jahr ein Kernteam aus 4 weiteren Frauen, die in und an dem Unternehmen arbeiteten. Zusammen waren sie auf Modemessen in Frankfurt und München, haben sich die neuesten Kollektionen angeschaut und sich für ihre Homeparties ausgestattet. Es war eine aufregende Zeit, sagt Irmeli. Die Firma wuchs in dieser Zeit kräftig und erreichte schon bald einen Jahresumsatz von 250.000 Euro.

Und hier begann es, für Irmeli wackelig zu werden. Wie sie selbst sagt hat sie nie gelernt, vernünftig mit Geld zu wirtschaften. Und so ging es ihr wie vielen unerfahrenen Gründern, die schnell erfolgreich werden: es stieg ihr ein wenig zu Kopf.
Teure Restaurants und Shoppingtouren gehörten zu ihrem neuen Alltag und natürlich waren da noch ihre drei Kinder, die sie gerne verwöhnte. Die Familie fuhr nun mehrmals im Jahr nach Italien in den Urlaub. Kurz gesagt: Geld spielte keine Rolle. Doch irgendwann kam das „verflixte dritte Jahr“. Das Finanzamt meldete sich. Da das Unternehmen gut lief, war eine Umsatzsteuervorauszahlung fällig, die sie mit Ach und Krach leisten konnte. Im folgenden Jahr hatte Irmeli noch öfter das Vergnügen mit dem Finanzamt, was schließlich in der Insolvenz ihres Unternehmens endete.

Learning

  • Such‘ dir unbedingt einen ordentlichen Steuerberater, der auch deine Branche kennt
  • Suche Kontakt zu anderen Unternehmern ( z.B. durch Netzwerke) damit du jemanden hast, der dir voraus ist, Erfahrung hat und dir hilft, diese groben Fehler zu umschiffen
  • Zahle privaten Konsum nicht aus der Firmenkasse
  • Entwickle unbedingt eine Strategie und einen Finanzplan für dein Unternehmen
  • Lerne trotz Erfolg zu sparen und auf dem Boden zu bleiben

Übrigens

Irmeli ging nach ihrem Fuckup wieder in die Festanstellung zurück. Dort hielt sie es ganze 7 Monate aus. Nachdem sie schuldenfrei war, kündigte sie ihren Job und ging noch einmal den Schritt in die Selbständigkeit. Heute verkauft sie bunte Wasserflaschen aus Finnland und coacht Einzelhändler darin, wie sie ihre Umsätze steigern können.
Sie lebt minimalistisch und gibt für ihre früheren Leidenschaften kaum noch Geld aus, fügt aber mit einem Augenzwinkern hinzu: „Das geht ganz gut. Ich habe das ganze Zeug von früher noch, das reicht vermutlich noch für die nächsten Jahre.“

Dr. Dennis Schlippert

Dennis Schlippert wusste schon sehr früh, wo er beruflich hinwollte: eine Stelle an der Leibniz Universität Hannover sollte es werden. So hat er sehr früh die Weichen für seine Karriere gestellt und fleißig darauf hingearbeitet. Da schien es fast schon Fügung zu sein, als die Universität für unterschiedliche Themenfelder Stipendien anbot, auf die man sich bewerben konnte. Dennis war sofort klar: er gehörte zu den Auserwählten. Tatsächlich wurde er auch eingeladen, sich vorzustellen. Soweit lief alles nach Plan.

Zu seiner Stipendienprüfung kam er minimal übermüdet, weil er erst am Abend zuvor von einer Reise aus den USA zurückgekehrt war. Kein Jetlag würde sich zwischen ihn und sein Stipendium stellen. Was ihm an Vorbereitung fehlte, gleichte er mit Selbstbewusstsein aus.
Das reichte diesmal aber nicht aus, um die Prüfer zufrieden zu stellen. Er konnte nicht die Leistung abliefern, die er von sich gewohnt war und verließ den Raum an diesem Tag nicht als Gewinner. Diese Stipendien waren sehr begehrt, die Konkurrenz entsprechend hoch und er ihm wurde bald klar, dass er eine einmalige Chance leichtsinnig vertan hatte.

Learning

  • Hochmut kommt vor dem Fall
  • Überschätze dich niemals selbst. Egal, wie gut du bist.

Übrigens

Dennis hat trotzdem noch ein Stipendium erhalten. Auf dem letzten Listenplatz, für ein kleines Projekt und mit ein bisschen Glück. Wir freuen uns mit ihm über das Happy End!

Anton Knaus

Anton ist Ingenieur und macht Standup Comedy. Wie passiert denn sowas, fragt ihr euch?
Nun, es hat mit seinem Fuckup zu tun.

Er war vor einigen Jahren nämlich am Bau einer 900 MW Windkraftanlage in Brasilien beteiligt. Dort sollte er die Qualität der Fundamente überprüfen. Eines Tages gab es mit einem anderen beteiligten Unternehmen auf der Baustelle Schwierigkeiten und man traf sich, um zu besprechen wie man damit umgehen sollte. Antons Ansprache muss sehr überzeugend gewesen sein, obwohl er noch etwas grün hinter den Ohren war, denn man entschied sich für seine Lösung. Diese bestand darin, besagte Firma auszuwechseln. Das stieß bei den dort angestellten Menschen offenbar nicht auf Begeisterung, war die Stimmung wegen der Situation ohnehin schon sehr angespannt.

Sie gingen in den Streik. Nun muss man wissen, dass ein Streik in Brasilien oft etwas anders abläuft. Es geht meist weniger darum, mit Trillerpfeifen und Plakaten für seine Sache zu lärmen, sondern eher mit Stöcken auf Autos einzuprügeln. Und wenn es ganz dicke kommt; so, wie beim Anton, blockieren die Streikenden auch noch alle anderen Gewerke und legen die gesamte Baustelle lahm.
Seine Idee hat letztendlich dazu geführt, dass das Projekt am Ende doppelt so teuer war und sich um Wochen verzögerte.
Er selbst sagt lachend, dass er jetzt Standup macht, weil man sowas nur mit Humor ertragen könne.

Learning

  •  Er hat sich zu oft von seinen Emotionen leiten lassen. Gerade in einer Umgebung, in der der Ton rauer ist und viele Akteure miteinander (und auch gegeneinander) arbeiten, wiegt man seine Entscheidungen oft strategisch ab, anstatt objektiv das Ziel der Sache im Auge zu behalten.
  • Bei allem, was man tut, sollte man seinen Fokus auf das Ziel setzen und sich fragen: überlappt sich das mit meinen eigenen Ambitionen? Bin ich hier richtig?
  • Um Projekte erfolgreich zu beenden, muss es eine „Trust and Relax Atmosphäre“ geben, in der die einzelnen Akteure sich auf das Endergebnis konzentrieren können, ohne sich ständig in Grabenkämpfen gegenseitig aufzureiben.

Übrigens

Antons Humor liegt irgendwo zwischen locker, smart und Gossensprache. Er tritt hauptsächlich in Hamburg auf, also wenn ihr mal in der Stadt seid, checkt ihn aus. Es lohnt sich!

Caroline Schwarz

Den Ulmern ist der Name Ehinger-Schwarz vermutlich schon einmal über den Weg gelaufen. Manch einer denkt dabei vielleicht sogar direkt an Schmuck. Die wenigsten wissen aber, dass die Familie Schwarz eine spannende Geschichte zu erzählen hat, die Caroline Schwarz an diesem Abend zum ersten mal öffentlich erzählt hat.

Obwohl ihr im eigenen Familienunternehmen alle Türen offen standen entschied sie sich früh, Schauspielerin zu werden. So spielte sie einige Jahre am Theater in Berlin, bis sie ihr Weg eines Tages wieder zurück nach Ulm führte. Ihre Eltern baten sie eine Broschüre für das Unternehmen zu gestalten. Rückblickend sagt sie, dass dies der erste Schritt zurück gewesen ist.

Caroline übernimmt die Verantwortung über das Marketing, später steigt sie in die Geschäftsleitung ein. Die nächsten Jahre sind ereignisreich und nicht arm an Höhen und Tiefen. Sie erzählt von Besuchen in New-York, von schillernden Events und einem Lifestyle, den die Meisten nur aus dem Fernsehen kennen. Aber auch von der Finanzkrise und den rauen Tagen, die für viele Unternehmen anbrachen. Und von Sorgen.

Eines Tages im Jahr 2012 kam ihr Mitarbeiter, der für die Finanzen zuständig ist, zu ihr. Mit gedrückter Stimme erklärte er ihr, dass Ehinger-Schwarz die Löhne der über 100 Mitarbeiter nicht mehr zahlen könne. Der Schock saß tief. In den nächsten Tagen kamen Banken und Berater ins Haus, um die Probleme der Firma zu lösen. Für Caroline eine erschöpfende Zeit.

In dieser Zeit schrieb ihr Vater ihr einen Brief, in dem zusammengefasst in etwa dies stand:

Eigentlich ist es schade. Alles, was ich je gemacht habe, ist aus einer Lust an der Sache entstanden.“

Für Caroline hingegen war die Arbeit in der Firma seit jeher mehr ein Kampf und weniger eine Leidenschaft. Und so fragte sie sich zum ersten mal wie es wohl wäre, das Unternehmen einfach loszulassen. Später sollte es genau so kommen. Sie gab das Unternehmen ab und verließ es. Und sie sagt: „Für mich war es eine riesige Erleichterung und eine Befreiung.“

Learning

  • Ihr Vater hatte Recht: man sollte immer eine gewisse Freude an dem haben, was man tut.
  • Man sollte trotz Niederlagen immer an sich glauben.

Übrigens

Heute ist Caroline Schwarz Trainerin für Kommunikation und Gastdozentin an der HNU.

Fotografin: Nadja Wollinsky
Copyright: Stadtarchiv Ulm

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