Jeder, der in leitender Position arbeitet, hatte vermutlich schon einmal Kontakt mit einem Menschen, der energisch Akquise macht. Oft laufen diese Gespräche für beide Seiten nicht besonders erfreulich ab. Deshalb verabscheuen 90% der Mitarbeiter im Vertrieb die Kaltakquise. Keine andere Disziplin im Vertrieb ist so umstritten, so gefürchtet und manchmal so gehasst die wie Kaltakquise.
Und doch sitzen Gründer Woche für Woche zusammen, um wieder zum selben Ergebnis zu kommen: irgendwie müssen wir neue Kunden ansprechen.
Akquise ist eines der größten Spannungsfelder im beruflichen Miteinander.
Mit dem Aufstieg von Linkedin war es nur eine Frage der Zeit, bis eifrige Vertriebler auch dorthin ihren Weg finden würden. Seither reibt man sich verwundert die Augen, wenn man z.B. so angesprochen wird:
„Hey,
Ich finde dein Profil spannend und würde mich gerne mit dir connecten. Abgesehen davon ist es ziemlich cool, mit mir vernetzt zu sein 🙂“
oder der Klassiker unter den „Anmachsprüchen“.…
„Lassen Sie uns doch vernetzen. Kontakte schaden ja bekanntlich nur dem, der sie nicht hat.“
Ich bin mir sicher: beinahe jeder wurde auf Xing oder Linkedin schonmal so, oder schlimmer, angesprochen. Ich lese in meinem Newsfeed regelmäßig aufgeregte Diskussionen dazu, die bisweilen auch ziemlich lustig werden.
Die Frage aber bleibt: wie spricht man nun Menschen an, die einen noch nicht kennen?
Wir haben uns gedacht: warum nicht einfach jemanden fragen, der selbst oft Ziel von Ansprachen ist? Deshalb haben wir David Schmidt, IT Leiter der Schulz Group, kurzerhand zum Interview eingeladen.
Herr Schmidt, IT Leiter gehören in Unternehmen zu den Mitarbeitern, die mitunter am häufigsten von Verkäufern angesprochen werden. Unter uns: wie schlimm ist es?
Man wird fast täglich angerufen oder angeschrieben. Die meisten Anfragen laufen nach einem Standardprocedere ab. Die Ansprachen sind gleich, meine Antworten sind gleich.
// No-Go: Standardtexte auswendig lernen
Welche Arten oder Verhaltensweisen in der Kaltakquise stoßen Ihnen persönlich am meisten auf?
Wenn die Kaltakquise auf Falschinformationen konstruiert wird. Oft werden am Empfang oder bei der Assistenz ein ausgemachter oder anstehender Termin suggeriert, um zu mir durchgestellt zu werden.
// No-Go: Bei Kaltakquise niemals lügen
Fällt Ihnen aus der Vergangenheit eine Situation ein, in der eine Ansprache für Sie tatsächlich mal gewinnbringend war?
Ja natürlich, aber keine am Telefon.
Das war im Rahmen eines Vortrages zum Thema künstliche Intelligenz. In der Pause kam es zu einem Austausch.
Reden wir über Startups. Die Suche nach neuen Kunden ist für Gründer überlebenswichtig. Wie würde eine Kontaktaufnahme am Telefon aussehen, vor der Sie nicht sofort davonrennen möchten?
Ich persönlich halte eine Kontaktaufnahme am Telefon für sehr schwierig und verzichte auf eine Kaltakquise. Jedem Startup würde ich empfehlen die Zeit besser zu nutzen.
Vielleicht kann ich es mit folgendem Beispiel besser erklären: Sie schauen im TV eine Sendung, die Sie wirklich interessiert. In der Werbepause werden Produkte vorgestellt, die mit dem Inhalt absolut nichts gemein haben. Schon vor oder spätestens nach dem ersten Werbeblock schaltet man um oder stellt auf lautlos.
Das Gleiche macht man schon fast automatisiert am Telefon. Die Ansprachen dauern meistens ca. 15 Sekunden 😉
Thema Linkedin. Es gibt Menschen, die sagen: wer schon in der Kontaktanfrage pitcht, hat verloren.
Wie gehen Sie damit um und was muss eine professionelle Anfrage Ihrer Meinung nach enthalten?
Dann gehöre ich auch zu diesen Menschen. Ich würde Ihre Frage umformulieren und damit womöglich eine Antwort liefern. Wie können Unternehmen es schaffen, dass die Kunden sich mit dem Unternehmen oder mit der Person vernetzen? Das wird eine Herausforderung bleiben. Erschwerend kommt hinzu, dass wir in einer „VUCA Welt“ leben, ein bewährtes Vorgehen kann morgen schon überholt sein.
Meiner Meinung muss jemand von seinem Unternehmen, von seinem Produkt zu 100% überzeugt sein.
Da fällt mir ein passendes Zitat von Augustinus Aurelius von Hippo ein (354 – 430):
„In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst…“
Und zum Schluss: was sind Ihre persönlichen No-Gos?
Alte und bekannte Verkaufstaktiken, Reden über Belangloses, das Kopieren von Körpersprache (Gestik, Position), Unhöflichkeit und fehlende Professionalität. Die kommt z.B. zum Vorschein, wenn der Gegenüber eine Ablehnung seines Angebotes persönlich nimmt. Eine zu häufige Kontaktaufnahme zu einem offenen Angebot wirkt genauso unprofessionell.